Kaffee und Reisnudeln

In ein Land zu reisen, das als Land des Tees bekannt ist, ist für einen passionierten Kaffeetrinker nicht ganz einfach; deswegen wurde eine italienische Espresso Maschine gekauft und zusammen mit einem Kilogramm gemahlenen Kaffee im Koffer verstaut. Über andere Frühstücksgewohnheiten in China wurden keine Erkundigungen eingezogen, man liess sich einfach überraschen.
Angekommen in der Wohnung des Schwagers wurde die Kaffemaschine ausgepackt und in die Küche gestellt. Die Küche selbst war klein, rechteckiger Grundriss, links an der Fensterfront der Gaskochherd, in der Mitte die Spühle, rechts die Kleiderwaschmaschine. Jewils am Morgen, derweil die anderen noch schliefen, wurde der gemahlene Kaffee in die Maschine gestopft, das Gas aufgedreht und Zigarretten rauchend gewartet, bis die heisse, braune Flüssigkeit zischend im oberen Teil der Maschine sich gesammelt hatte.
Zum Frühstück werden oft die Essensreste des Vortages warm gekocht; ist man auf der Strasse bieten sich andere Möglichkeiten: man kann von den fliegenden Händlern baozi oder yuntun kaufen; die baozi sind Teigbällchen, ähnlich wie Knödel, mit einer Füllung drin, die meistens Schweinefleisch enthält, die yuntun sind Teigtaschen (Ravioli), die nicht frittiert sind, sondern im Wasserbad gekocht werden. Oft werden im Süden von China diese beiden Gerichte noch mit Chilisauce gewürzt.
Es gab jedoch gleich um die Ecke ein Nudelrestaurant, wo an Tischen garnierter Reisnudelsalat oder -suppe gegessen werden kann. Die Beilagen zu den Reisnudeln sind frei wählbar, reichen von Koriander bis zu Lotusstücken; meistesn enthalten diese Nudeln Chili und Lauch.

Mit der Modernisierung der Städte haben auch Kaffeshops wie Starbucks Einzug gehalten, wodurch für westliche Touristen keine Notwendigkeit mehr besteht, das Genussmittel im Gepäck mitzuschleppen, die Einheimischen allerdings hegen auch heute noch eine gewisse Skepsis gegenüber dieser bitteren Brühe.
Erstaunlicher Weise haben findige Bäcker auch angefangen, Brötchen und Croisants herzustellen und zu verkaufen, nach ein paar Wochen mit chinesischem Frühstück eine willkommene Abwechslung.

Stone Forest

Wir stapften am Abend durch den Steinpark; eigentlich ist es gar kein künstlicher Park, sondern das Überbleibsel eines 200 Millionen alten Meeres; Regen und Wind haben diese Sandsteinfelsen ausgewaschen, so dass der Rest wie Säulen in den Himmel ragt. Nach 4 Uhr war der Park fast Menschen leer, nur ein Hirt trieb seine Ziegen durch die Felsbrocken, obwohl Tiere innerhalb des Parkes gar nicht erwünscht sind; die Ausnahme ist ein Elefant, der als Dauergast sein Unwesen treibt.
So eine Umrundung dauert etwa 90 Minuten, trotz der beginnenden Dämmerung zeigte das Thermometer immer noch knapp 30 Grad.
Das Hotel lag innerhalb des Areales, die Gästeanzahl war spärlich, da die grosse Horde nur als Tagestouristen durch die Anlage stakt; einige Stellen sind doch recht kritisch, ein Nebenweg führt nach unten in eine kleine Schlucht, eng und niedrig, mit Seilen gesichert. dürfte nicht so jederfraus Sache gewesen sein.

Nahe beim Eingang sprudelte ein kleiner Fluss in einen See, umgeben von Bäumen; dies war der Meeting Point für die Ankömmlinge, nicht nur weil hier die Souvenierläden angesiedelt sind. Wie so oft wartete ich hier, bis die Begleiterinnen sich von dem Kitsch und Klimbim lösen konnten; auf einem Stein rauchend sah ich dem Treiben der Gruppen zu; angeführt von einem Reiseleiter mit Schild oder Sonnenschirm trabten die Herden an mir vorbei. Plötzlich wurde ich aus den Tagträumen gerissen, weil ein junges Paar mit Gesten mir etwas mitteilen wollten. Ah, ich möge doch von ihnen ein Foto machen, tat ich natürlich gerne; ihre nächste Bitte fand ich dann schon sehr lustig, mit Gesten zeigten sie mir, dass sie auch noch ein Foto von mir machen möchten; wusste nicht, dass mein Gesicht auch China bekannt ist; sie durften und die Vorstellung, dass mein Foto ein chinesisches Fotoalbum oder ein Nachtischchen ziert, ist sehr amüsant.

Mah Jongg

Mah Jongg ist das Spiel des Landes; es wird überall gespielt, zu Hause, draussen auf der Strasse vor den Läden, im Entrée Bereich der Wohnhäuser.
Es wird zu viert gespielt; die Spielsteine bestehenden aus verschiedenen Motiven (Bambus, Kreis, Zahl, 4 Winde und drei Drachen) werden als 4 eckige Mauer aufgebaut, die die chinesische Mauer symbolisieren soll. Von dieser Mauer erhält jeder Spieler 13 Ziegel. Das Ziel ist, möglichst schnell seine Ziegel los zu werden. Die Regeln erscheinen am Anfang etwas kompliziert, doch man lernt schnell, welche Kombination nötig ist, um seinen eigenen Steinvorrat abzubauen.
Es gibt unzählige Variationen, man kann die abgelegten Steine zählen, mit Stäbchen die Punkte notieren etc. Ich habe vieles nie kapiert, oft wird auch eine fixe Rundenanzahl fest gelegt.
Unten in der Parterre Wohnung eines jeden Wohnblockes wohnt die Hauswartsfamilie; sie machen den Vorplatz sauber, leeren den Müll weg, der durch eine Klappe nach unten geworfen werden kann, putzen vielleicht das Treppenhaus und oft verkaufen sie auch noch Getränke und Snacks.
Jeden Nachmittag fand sich der ehemalige Schwiegervater ein und spielte mit den Damen der Hauswartsfamilie Mah Jongg, trank aus einer Theromflasche Tee; es wurde um kleine Geldbeträge gespielt, so 10 Yuen oder so. Beim Abendessen konnte man an seinem Gesicht ablesen, ob er gewonnern hat.
Auch der Schwager spielte Nächte lang mit seinen Freunden; abwechselnd wurde immer in einer anderen Wohnung gespielt. Am Morgen war diese zugequalmt, auf Tisch lagen Flaschen herum und er war meistens mürrisch, weil er verloren hatte.
Ich kaufte später ein solches Spiel und wir spielten es zu dritt.
Kürzlich lungerten drei Freunde bei mir herum und zur vorgerückten Stunde stellten wir das Spiel auf; ich hatte inzwischen die Regeln leider vergesssen und wir schufen halt neue.

Reagge in Dali

Wir beschlossen, ein paar Tage in Dali zu verbringen; diese liegt 8 Zugsstunden entfernt auf fast 2000 m.ü.M. Der Zug ruckelte durch die Landschaft, hielt oft lange an einem Bahnhof, um den Kreuzungszug abzuwarten. Aus dem Fenster sah man bereits die Neubaustrecke, mit der die Fahrt nur noch 4 Stunden dauern würde. Ansonsten schlängelt sich das Gleis durch die Gebirgslandschaft von Yunnan, vorbei an Feldern und Bauernhöfen, vorbei auch an kahlen abgeholzten Hängen.
Dali selbst besteht aus einer neuen modernen Stadt und einer historisch alten Stadt, die von einander 13 km entfernt sind. Wir wollten in diesen Touristenort, deren Wahrzeichen drei Pagoden sind; die Stadt ist kurz zuvor zusammen mit dem angrenzenden See ins Unesco Welterbe aufgenommen worden und wird von der chinesischen Regierung als Tourismus Ort auch gefördert.
Der Umriss der Stadt ist quadratisch, jede Seite weist ein typisch chinesisches Stadttor auf, dicke Mauern, geschwungene Drachendächer.
Auf Grund einer Empfehlung wollten wir in einem bekannten Hotel nächtigen, aber da es teuer war, fanden wir in einer Seitengasse ein kleines Hotel, geführt von einer Familie.
Die Stadt wurde hübsch renovert und zurecht geputzt für die chinesischen Tagestouristen; diese reisen am Morgen mit den Bussen an und spaziern mit ihrem Reiseführer durch die Altstadt, kaufen irgend welche Souvenirs und verschwinden nach 2 bis 3 Stunden wieder. Wenn es langsam wieder dämmerte, gehörte die Stadt wieder den Einheimischen und den Touristen, die dort ein Hotel gebucht hatten.
Abseits der Haupstrasse in einer Seitegasse entdeckte ich 2 sehr untypische Restaurants, die mich zum Schmunzeln brachte.
Einerseits hatte ein Belgier, ich wiederhole, ein Belgier eine Frittenbude eröffnet und bot den Passanten Kartoffelprodukte an. Fast neben an erklang aus einer Bar Reagge Musik. Das musste ich unbedingt sehen und trat durch den Perlenvorhang ins Innere. Da gab es im schummrigen Licht Sofas und Tische, eine kleine Theke, am Wand hing ein Poster von Bob Marley. Die Musik kam aus dem Lautsprecher. Ich war hingerissen, Reagge in China auf 2000 m.ü.M. Ich plumpste in ein Sofa, bestellte ein Bier und schaukelte mit der Musik mit. Der Barbesitzer war sichtlich erfreut über den Touristen, leider gab es da ein paar Sprachprobleme, was mir eigentlich etwas egal war.
So nach 30 Minuten realisierte ich, dass die Musik wieder von vorne begann; es war Zeit wieder aufzubrechen.

On the road

Es war noch dunkel, als wir das Hotel verliessen; auf dem Markt kaufte der Schwiegervater Proviant und gekochte Eier. Er bot mir auch eines an, was ich allerdings bereute, da es wie ein Stein in meinem Magen lag.
Der Bus war ein Doppeldecker Sleeper Bus; es gab 2 Reihen übereinander mit Schlafkojen. Wir hat unsere oben, ich am Fenster.
Die ersten paar Stunde veliefen ohne Probleme, da die Strasse sehr gut ausgebaut war. Nach einem kurzen Rast bog der Bus in einen Feldweg ein, der sich n den Kuppen der Hügel schlängelte; der Weg war durch die Regenfälle schon recht ausgewaschen, de Bus neigte sich oft gefährlich dem Abgrund entgegen. Da ich oben lag, schaute ich immer in den Steilhang runter und begann bereits innerlich mein Testament zu schreiben; meine Gitarrensammlung sollte mein Neffe bekommen, den spärlichen Rest meine zwei Patenkinder.
Meine Todesängste waren zwar etwas übertrieben, aber während der Monsumperiode ist nicht selten, dass irgendein Bus auf den glitschigen Feldwegen den Hang runter fällt. Zum Glück war die Strassse trocken.
So etwa alle 4 Stunden hielt der Bus an einer Raststätte, alle stiegen aus um sich die Beinen zu vertreten, etwas zu essen und Tee zu trinken. So fuhren wir durch die Gebirgslandschaft und erreichten am späten Nachmittag das Tal des Red Rivers; dieser entspringt wie alle anderen Flüsse vom tibetischen Hochland und mündet in Norden von Vietnam ins Meer. Wunderbar in dieser Landschaft sind die terrassierten Reisfelder, die sich weit die Hügel hinauf ziehen.
Der Red River war allerdings nicht unser Ziel, wir fuhren auf der anderen Seite wieder die Hügel hinauf; es war schon dunkel draussen und ich döste auf der Pritsche.
Bei der Morgendämmerung hatte der Bus irgend eine Ebene erreicht und hielt vor einem Kontrollposten an, der die Pässe der Reisenden kontrollierte. Damals brauchten die Einheimischen die Erlaubnis der Arbeitstätte und des Wohnortes, um überhaupt verreisen zu können. Ich ging nach draussen, um zu rauchen und die Beine zu vertreten.
Als ich wieder eintieg, zeigte der Soldat auf meinen Pass und fragte irgend was; der Sprache unmächtig beschloss ich, einfach zu lächeln, er lächelte zurück und stieg ein. Später wurde mir klar, er wollte wissen, woher ich kam; er hatte so ein Dokument noch nie gesehen.
Die Weiterfahrt wurde dann nochmals etwas unterbrochen, weil der hintere Reifen geplatzt war; es war lustig zuzusehen, wie die beiden Fahrer probierten, den Reifen auszutauschen. Sie führen mit dem Bus rückwärts auf einen grossen Stein, das Reserverad war an der Unterseite angeschraubt. Die Jungs hätten mich lieber nicht zusehen lassen sollen: das Profil auf den Räder war nicht mehr vorhanden, wir waren quasi auf glatten Reifen durch diese abschüssige Hügellandschaft gefahren.
Nach dem sie etwa eine Stunde versucht hatten, den Reifen zu wechseln, gaben sie auf und erklärten, auf einen Ersatzbus zu warten. Da ergriff mein damaliger Schwiegervater die Initiative und stoppte kurzerhand einen vorbei fahrenden Linienbus. Wir holten das Gepäck und stiegen in den Bus.
Am späten Nachmittag erreichten wir endlich unser Ziel, Jinghong am Mekong; ich wollte unbedingt diese Fluss mal sehen, diese Lebensader Südostasiens. Bei Jinghong ist der Fluss noch nicht so breit, weil hier der Übergang vom Gebirge in die Ebenen statt findet.
Hier war es wieder, dieses Easy Going Lebensgefühl, sicher auch weil es tropsch warm ist.
Eines Tages beschloss der Schweigervater einen Wagen zu mieten und noch zwei Sehenswürdigkeiten anzusehen; so fuhren wir ein Seitental Richtung Westen bis wir Stunden später den Elefant Tree erreichten; dieser einzelne Baum hat im Verlauf seines Lebens unzählige Seitenstämme ausgebildet, worauf es wie ein kleiner Wald aussah. Ich konnte mich nicht des Verdachtes erwehren, dass dieser Baum irgend eine religiöse Bedeutung hatte.
Wir fuhren weiter bis zur Grenze nach Burna; jenseits der Grenze gibt es ein buddhistischer Tempel aus weissem Marmor mit vergoldeten Kuppeln; ich fragte, ob ich mal kurz rüber gehen könnte um den Tempel von Nahen anzusehen. Theoretisch war das kein Problem, allerdings hätten mich die Chinesen nicht mehr ins Land gelassen, weil bei Grenzübertritt automatisch das Visum erloschen wäre.
Vom Mekong zurück in die Grossstadt dauert auch wiederum so 16 Stunden; die Strasse windet sich dem Relief des Gebirges entlang auf die Hochebene von 1700 m.ü.M. Inzwischen gibt es eine Autobahn, auf der der Weg dorthin nur noch 8 Stunden dauert.
Diese Rückreise ist nicht nennenswert ausser, dass in einer Raststätte ein ältere Herr sich gegen Geld fotografieren liess; die Bedeutung wurde mir später erklärt: in den 60 Jahren besuchte die damalige Nummer 2 im Land Zhou Enlai diese Provinz und schüttelte dem oben erwähnten Herrn die Hand. Nun was für eine Ehre für einen Staats gläubgen Chinesen, dem die Hand zu schütteln, dem Zhou Enlai die Hand geschüttelt hat!

Fast erfroren

Kurz vor Anbruch der Dämmerung erreichten wir die Stadt; der Bus wurde vor den Toren parkiert, ein Teil der Begleiter ging mit mir in die Stadt, der andere begaben sich auf die Suche nach einem Hotel.
Die Stadt liegt auf einem Hochplateau eines Ausläufer des Himalayas auf 2600 m.ü.M. Wir kamen im Februar dorthin und es war sehr kalt.
In die Altstadt wärmten wir uns in einem Teehaus auf; überall gibt es kleine Kanäle und Brücken, die Häuser sind aus Stein mit den geschwungenen grauen Ziegeldächer, mit Innenhof und geschnitzten Holzbalustraden. Ein wirklich hübsche Stadt; ich las dann später, dass das Volk der Naxi dort beheimatet ist, eine der vielen Minderheitsvölker in China.
Später trudelte noch der Rest der Gesellschaft ein, und wir gingen irgendwo essen; sie hatten ein Hotel draussen in der Vorstadt gefunden.
Damals gab es die 2 Klassen Hotels, Hotels für Touristen, und Hotels für Einheimische. Als wir zum Hotel kamen, staunten die Angestellten nicht schlecht, dass da in der Reisegruppe so ein grosser untypischer Chinese mitlief, der nota bene kein Wort der Sprache verstand. Nach langem Palaver und dem Wechseln von ein paar Yuen wurde dann der Europäer als Einheimischer anerkannt, und er konnte das Zimmer beziehen.
Ich war entsetzt, als ich das Zimmer betrat; es gab da nur eine Matratze und eine Wolldecke. Damit ich nicht erfror, zog ich alle Kleider an, die ich mitgenommen hatte, und wickelte mich in die Wolldecke. Es war sehr kalt, ich denke so -5 Grad; es gilt die Faustregel, dass südlich des Jangtse keine Heizungen vorhanden sind, und wir waren südlich des Jangtse! Am nächsten Morgen war draussen das Wasser gefroren, immerhin, ich lebte noch.
Wir fuhren mit dem Bus weiter in den Norden bis an den Fuss eines Berges, der zum Jadedrachen Gebirges gehört; der höchste Gipfel liegt über 5500 m.ü.M. Es gab da eine Drahtseilbahn, die auf eine Hochebene führt, aber die Bekannten beschlossen, zu Fuss hinauf zu gehen. Der Weg wand sich einem Bach entlang, durch einen Nadelwald. Weiter oben lag Schnee auf dem Weg, mit meinen Turnschuhen ging es so knapp, meine damalige Schwägerin trug Stöckelschuhe und rutsche dauernd auf der glatten Unterlage aus. Unglaublich, mit Stöckelschuhen ins Hochgebirge!
Auf dem Hochplateaus so auf 3500 m.ü.M. war eine kleine Festwirtschaft aufgestellt, wo das Volk der Naxi Folklore Darbeitungen zeigte, irgendwo gibt es da noch ein Erinnerungsfoto, ich umrahmt von den Tänzern.
Seit der Abfahrt von der Grossstadt hatte ich als passionierter Kaffeetrinker keinen Kaffee mehr trinken können; in dieser Festwirtschaft wurde Instantkaffee verkauft, normalerweise nicht mein Getränk, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Es schmeckte köstlich.

Markt

Ich stand oft am Morgen früh vor dem Hotel, rauchte und sah dem Treiben auf der Strasse zu.
Die Bauern brachten auf ihren Traktoren das frisch geerntete Gemüse in die Stadt; vor Beginn der kapitalistischen Revolution zogen Pferde oder Esel die Karren. Rund um Stadt gab es viele Gemüsefelder, neu alle mit diesen Plastikdächern und -folien versehen. Die Erde dort ist rot, was auf sehr viel Eisen hin deutet.
Da fuhren sie also in die Stadt, beladen mit Chinakohl, Lotus, Stangenspinat, Lauch und was auch immer.
Jedes Quartier wies seinen eigenen kleinen Markt auf, mit Plastik oder Wellblech überdacht, da es nicht unüblich ist, dass es zu regnen beginnt. Das Gemüse wurde auf dem Boden ausgebreitet, daneben wurde auch Fleisch, Fisch, Hühner, Enten, Blumen und teilweise Vorgekochtes angeboten. Die Fische schwamen in Plastikbehälter, manschmal verkaufte auch ein Händler Süsswasserkrabben und -krebse. Das Fleisch vorallem Schwein lag in grossen Stücken auf dem Tisch; man konnte zum Beispiel Rippen kaufen und der Metzger schnitt mit dem grossen Fleischmesser die gewünschte Anzahl ab. Es gab da auch eine Hackmaschine, wo das Fleisch verkleinert werden konnte.
Diese war ziemliich nützlich, da ich angeboten hatte, geschnetzeltes Schweinfleisch und gebratenene Kartoffeln zu kochen, im Nachhinein ein grober Fehler. So zerkleinerte der Metzger für die Langnase das Fleisch, und ich begab mich in die Küche und hantierte da mit Pfannen und Geräten herum; das Fleisch zum Braten war zwar ok, aber die gebratenene Kartoffeln missrieten total; gerade in China, wo das Essen einen wichtigen Stellenwert einnimmt, sollte sowas unbedingt vermieden werden. naja, sie waren wenigstens höfflich und sagten ein paar nette Worte.
Diese Quartiermärkte verlieren zwar an Bedeutung, weil es immer mehr und mehr Supermärkte gibt mit Lebensmittelabteilungen; verschwinden werden sie nie, da ein guter Koch Wert auf frische Lebensmittel legt und die Preise auf dem Markt doch billiger sind als im Lebensmittelladen.

Blutsauger

Rückblickend betrachtet waren meine damalig neuen chinesischen Verwandten Blutsauger; da kommt der Neue aus dem Westen, und Westen wird mit Geld, Luxus und was weiss ich assoziert. Quit ergo, auch der neue da schwimmt im Geld, was natürlich damals überhaupt nicht stimmte; das Geld für die Reise schuldete mir mein Bruder, weil er eine Wette verloren hatte, das Flugticket für Shuqing bezahlte ich. Aber eben, bei den Diskussionen über Einkommen und Preise muss ich ihnen wie der Prinz von Persia erschienen sein, dabei war ich damals arm wie eine Kirchenmaus.
So, ich musste für alles bezahlen, für das Übernachten bei ihnen, für die Reise ins Landesinneren, für den neuen Fernseher und was weiss ich. Das einzige, was ich gerne bezahlte, war das Essen für alle zusammen, wobei mir beim Anblick der Leute nie klar wurde, wie diese eigentlich miteinander verwandt waren. Es war erstaunlich, dass in einem sozialistischen Land wie China ein totaler Wild West Kapitalismus ausbrach; solange die staatliche Ordnung nicht in Frage gestellt wird, kann man machen, was man will. Das Motto ist: reich werden ist keine Schande.
So begannen auch sie, Immobilien zu kaufen, nota bene ohne über die Geldmittel zu verfügen. Es ist wie Lotto spielen: man kauft irgend eine Wohnung, wohnt nie drin, und verkauft diese wieder, wenn die Preise gestiegen sind. Dieser Wildwuchs veranlasste die Regierung, den Erwerb einzuschränken; d.h. pro Ehepaar darf nur eine zusätzliche Wohnuung gekauft werden, worauf sich mein damaliger Schwager scheiden liess, damit seine Frau auch eine Wohnung kaufen konnte.
Als die Banken dann etwas Cash für ihre Investitionen sehen wollten, brachte dies die Verwandten doch in eine gewisse Verlegenheit, und eine schüchterne Anfrage gelangte zu mir, ob denn nicht ich…
Es gibt auch Verlierer, dass sind die älteren Leute, die von einer mickrigen Pension leben und hoffen, von ihren Kindern etwas unterstützt zu werden. Meisten haben diese dann noch etwas Würde, wie mein ehemalig inzwischen verstorbener Schwiegervater.

Reisschnaps

Während Europa der Kontinent der Bier und Weinsäufer ist, ist China das Land der Schnapstrinker. Es gibt hunderte von verschiedenen Sorten, die erlesenen stammen oft von irgend welchen tibetischen Getreidesorten. Es gibt auch Schnapsmessen, wo die Hersteller ihre Produkte anpreisen. Analog zu den teueren Zigaretten dient die Marke Maotai als Bestechungsgeschenk; er ist 70 % stark und sehr teuer. Nur eine einzige Fabrik stellt ihn her, aus roter Hirse und Weizen.
Auf dem Markt kann an aus riesigen Glasflaschen die eigene Flasche auffüllen, oder in kleinen Lebensmittelgeschäften kann man Trinkbecher mit Schnaps kaufen, die billiger sind als eine Mineralwasserflasche. Unglaublich.
Zum Essen schenkte mir mein ehemaliger Schwager jeweils in einem kleinen Becher Schnaps ein, welches in einem Schluck runter gespült wird. Kaum ist das Glas leer wird sofort wieder nach gefüllt. So nach drei Gläsern begann ich etwas den Boden unter meinen Füssen zu verlieren und musste meistens eine kleine Pause einlegen. Das Zeugs ist unheimlich stark.

Grosses Tor

Wenn es Land gibt, wo die Raucher bis dato ungehindert dieser Passion nach gehen können, dann ist China; es sind vorallem Männer, die dies tun.
Es gibt hunderte von verschiedenen Zigarettenmarken, die meistens unter einer Glasscheibe zum Verkauf angeboten werden. Ich probierte mich mal durchs Sortiment und fand dann die «Grosse Tor» Zigaretten ganz passabel, sie kratzten nicht so wie die anderen, trockneten allerdings sehr schnell aus. Interessanter Weise waren diese Zigaretten sehr billig, so 10 Yuan eine Schachtel, da gab es andere, die waren mehr als 10 mal so teuer. Diese teuren Zigaretten werden oft nicht selber geraucht, sondern als Bestechungsgeschenk verwendet, d.h. um jemanden um eine Gefälligkeit zu bitten, wird zufälliger Weise eine Schachtel dieser teuren Zigaretten auf den Bürotisch gelegt.
Späte rauchte ich dann so eine braune Schachtel mit einem Bergmotiv, dessen Name ich nie verstanden habe.
Anyway, es gibt auch diesen Brauch, dass wenn jemand eine Zigarette zu rauchen beginnt, er den anderen ebenfalls eine anbietet; das war fatal, als wir in einem Kleinbus durchs Gebirge fuhren. Auf dieser 6 stündigen Fahrt wurde gequalmt wie blöde, weil irgend jemand immer gerade eine Kippe ansteckte und den anderen offerierte. So tat auch ich, allerdings waren meine «Grosse Tor» Zigaretten nicht so beliebt, naja es sind halt arme Leute Zigaretten.
Einen andere Unart der Raucher ist die, dass, kaum ist er mit dem Essen fertig, er sich sofort eine Zigarette ansteckt, egal, ob die Tischgesellschaft noch am Essen ist oder nicht.