Dostojewski

Im Rucksack lag zuunterst «Der Idiot» von Dostojewski, ein 1000 starker Schinken, der nur mitgenommen worden war, falls es langweilig werden würde; doch vor der Abfahrt am Abend wurde das Buch den ganzen Tag im Hotelzimmer gelesen. Der Gast war so eingeschüchtert von diesen Menschenmassen und der fremden Kultur, dass er es vorzog, auf dem Zimmer zu bleiben und im Buch zu stöbern.
Manchmal steckte ein Bediensteter seinen Kopf durch die Türe und frage, ob der Gast noch etwas wünsche; der Gast winkte jeweils ab.
Nach Einbruch der Dämmerung wurde ein Taxi bestellt, das ihn zum Bahnhof brachte. Vor dem Bahnhofplatz das Getümmel von Menschen, Autos, Rikschas, Velos, Kamelen, Eseln, Maultieren und Elefanten. Er war gut instruiert worden: «Schnapp dir einen Gepäckträger, diese sind erkennbar an der roten Schulterschärpe. Zeig ihm dein Ticket und bitte ihn, dich zum Bahnsteig zu begleiten.» Der Gepäträckträger wollte unbedingt den Rucksack tragen, was auf Grund des Gewichtes lächerlich erschien.
Auf dem Bahnsteig, über auf ihren Matten hingestreckten, schlafenden Menschen steigend las er auf der Reservationstafel die Liste der Namen; der Name des Gastes tauchte unter seinem Vornamen auf.
Der Zug erhielt 3 Stunden Verspätung; der Gepräckträger wollte sich entfernen, doch der Gast bat ihn zu bleiben, bis der Zug eintreffen würde; er bezahlte ihm 50 Rupies, ein Vermögen für den Gepäckträger, eine Kleinigkeit für den Touristen.
Der Zug mit den Schlafwagen fuhr nach Mitternacht in den Bahnhof ein, der reservierte Wagen wurde schnell gefunden. Erleichtert stieg der Gast in den Zug und winkte dem Träger nach, der in der Menschenasse unter tauchte.
Das Buch, weit gereist, steht heute noch im Bücher Regal.

Kühe

Auf der Strasse lungerten immer Kühe herum; sie lagen einfach in der Mitte und bewegten sich nicht, weisse, kauende Kolosse. Die Auto- und Lastwagenfahrer umkurvten die Tiere ganz vorsichtig. ja kein Schaden dem Tier zufügen, das ist schlecht fürs Karma. Die Unberührbaren kümmerten sich um die Verdauungsextrakte und sammelten diese ein; sie werden gerocknet und als Brennmaterial weiter verkauft. Überhaupt ist diese Kaste nur mit dem schlechtesten Arbeiten beschäfftigt, Reinigung der Toiletten und Kanalisation, Strassen kehren und Abfall sammeln, eventuell noch Wäsche waschen.
Im Handwerksviertel der Altstadt ist ebenfalls alles nach diesem hinduistischen Prinzip angeordnet, Keramikhersteller, Topffabrikanten, Schneidereien, Schniede und die Mechaniker, die auch Fahrräder reparieren. Die Schmuck – und Seidenhändler waren anderswo angesiedelt, sie gehören auch einer anderen Kaste an; vorallem Silberschmuck und Saris wurden verkauft.
Die höchste Kaste sind die der Brahmanen; obwohl die Regierung Gesetze über Gleichberechtigung erlassen hat, fühlen sich viele Brahmanen den anderen überlegen; am Zoll zum Beispiel wollte eine Brahmanin sich vordrängeln, ein Polizist wies sie jedoch unwirsch an, sich wieder in die Reihe zu stellen.
Überhaupt wimmelt es in Indien von verschiedenen Religionen; in der Nähe lag ein Jain Tempel, eine Religion, die 6 v. Chr gegründet wurde; erstaunlicher Weise sahen wir ein Wandrelief, dass den Religionsgründer mit seinen Jüngern in einem Boot zeigt, das im Sturm zu kentern droht, scheint irgendwo auch anderswo noch bekannt zu sein. In den Anlagen der Hindi Tempel, die immer irgend einer Gottheit geweiht sind, tummeln sich Affen, die teilweise ziemlich agressiv sich gegenüber Besucher verhielten und Essen klauten; da sie als heillig angesehen werden, werden sie geduldet und teilweise verehrt.
Eine sehr grosse Minderheit sind die Moslems, immer wieder gibt es Krawalle zwischen fanatischen Hindus und den Moslems, wobei das Verbennen von Autos noch das harmloseste ist; sie sind unzufrieden, weil sie sich von der Hindu Mehrheit unterdrückt fühlen. Einer der häufigsten Berufe, die sie ausüben, ist der Beruf des Gerbers, denn kaum segnen die Kühe das zeitliche werden die Kadaver weg geschafft, gehäutet und zu Leder verarbeitet.
In Kerala steht die älteste Kirche in Indien, erbaut von portugisischen Missionaren vor 400 Jahren, ja auch das christliche Europa mischelt in diesem Religions Multi Kulti mit, sind aber genau wie das Judentum völlig unbedeutend.
2 andere Religionen, deren Wurzel hier liegend, sind Sikhismus und Buddhismus; die letzt genannte ist schwer zu verstehen, da sie gar kein Heilsbringen verspricht, sondern die Idee des endlosen Kreislaufes aufnimmt, der durch das Eintreten ins Nirwana beendet wird. In Indien ist Buddhismus nicht verbreitet, das Zentrum hat sich nach Ostasien, China und Japan verschoben; in China ist nicht so offensichtlich, wessen Religionstempel man gerade anschaut, da die pragatischen Chinesen Buddhismus mit Daoismus einfach verschmolzen haben, sicher ist sicher. Sympathisch an diesen östlichen Relgionen, vorallem dem Buddhismus, ist die Achtung vor dem Leben; wer bringt schon einen Gecko um, könnte ja sein, dass die gestorbenen Grossmutter als Gecko wieder geboren worden ist.
In den Grossstädten wie Dehli oder Bombay ist diese Multi religiöse Gesellschaft besonders gut beobachtbar, auch wenn Ehen zwischen unterschiedlichen Religiosngruppen oder Kasten fast nie vorkommen.

Wassertanks

Am Morgen war es noch am kühlsten; das Thermometer zeigte nur 28 Grad, weswegen die Exkursionen auf die Morgenstunden verlegt worden waren.
Die Gruppe fuhr auf den Fahrrädern aus der Stadt raus in die umliegenden Bauerndörfer. Da es nur einmal pro Jahr regnet, wurde vor langer Zeit Wassertanks gegraben, in denen das Wasser des Monsums gespeichert wird. Mit Schiebern wird es bei Bedarf in Kanäle eingelassen, die wiederum die Felder bewässern. Auf den Tanks schwammen Seerosen, Lotusblumen und andere Grünpflanzen. Die Kanäle waren schlammig und teilweise schon ausgetrocknet.
Auch die damaligen Herrscher liessen Seen graben, um an deren Ufern marmorne Sommerpaläste erbauen zu lassen, umgeben vom riesigen Trockenwäldern, die den Mahardschas als Jagdgebiet diente.
Irgendwie war das ganze Projekt verrückt; in Rajasthan, diesem Halbtrockengebiet nach Wasserpflanzen zu suchen. Aber Mr. Cook war nicht zum ersten Mal hier und wusste genau, wo er nach ihnen suchen musste. Wir wateten in den Kanälen und Feldern herum, er sammelte und bestimmte die Pflanzen; sogar endemische Arten hat er entdeckt, eine davon trägt nun seinen Namen. Das gesammelte Wissen sollte später zu einem Buch verarbeitet werden.
So gegen Mittag radelte die Gruppe zurück, es wurde zu heiss; um die 38 Grad waren nicht selten, was alle in bleierne Lethargie bzw. Siesta fallen liess. Der Trick um diese heissen Tage zu überstehen schauten wir den Einheimischen ab: gesüssten Tee trinken, kühlt interessanter Weise besser als Minerwasser.
Reifenpannen waren an der Tagesordnung; die Feldwege sind schlecht, Steine oder auch Metallstücke schlitzten die Pneus auf, weswegen die Fahrräder wieder im Handwerkerviertel zum Repaieren gebracht werden mussten.
Für grössere Distanzen wurden Taxis gemietet, Miss Meta fuhr ebenfalls mit; Herr Singh gab uns jeweils ein Lunch Paket mit, Chapati, Dal, Kartoffel, Mineralwasser; alles wurde im Kofferraum verstaut. Immer auf der Suche nach Wasserpflanzen fuhren wir den Tanks und den Kanälen entlang; einmal organsierte Herr Cook einen Besuch in einem Dorf, wo eine Minderheit wohnt. Das Spezielle ist, dass die Damen mit Silberschmuck überladen sind. Die Studentinnen durften von Nahen die Armreifen und – ringe ansehen und fotografieren, wir anderen wurde angewiesen, im Hintergrund zu warten. So kann es sein, dass bis zu 10 kg Schmuck am Körper mitgeschleppt wird; ein wandelnder Silberschmuckladen.

Agra

Agra war ätzend; wie viele indischen Touristenorte ist es für Europäer mühsam, sich in der Stadt zu bewegen, überall wird man belästigt, irgend ein Taxi zu nehmen, irgend in einem Hotel zu übernachten, irgend ein Müll zu kaufen, den man sowieso nicht braucht.
Wir fuhren von Dehli am Morgen früh mit dem Zug los, Cornelia und Angelika wollten von Agra weiter nach Varanassi, ich plante, mit den Abendzug zurück nach Dehli zu fahren.
Kaum angekommen im Bahnhof stürzten sich die Taxifahrer wie Geier auf uns, jeder wollte uns zum Taj Mahal fahren, das Gedränge war so gross, bis ein Polizist mit einem Knüppel die Fahrer aus dem Gebüude vertrieb. Wir beratschlagten kurz, was zu tun sei, traten nach draussen und steuerten zielstrebig auf eine Rikscha zu; nur so blieb uns ein nochmaliger Ärger erspart. Die Rikscha brachte uns zu diesem traumhaft schönen Grabmal, weisser Marmor, im Inneraum ausgkleidet mit Mosaiken und hauchdünnen Farbplättchen, Park mit Teichen, auf den 4 Ecken kleine Türme mit Kuppeln. Ein Guide führte uns durch das Monument.
Nach der Besichtigung trennten wir uns, die beiden Studentinnen gingen ein Hotel suchen, ich nahm eine Rikscha, die mich zurück zum Bahnhof fahren sollte; leider musste ich auf dem Rückweg noch eine Teppichfabrik ansehen, nur mit riesiger Mühe konnte ich dem aggressiven Teppichverkäufer glaubhaft machen, dass ich erst in Dehli meine Kreditkarte holen müsste, ich aber bestimmt nochmals vorbei kommen würde. Später erzählten mir die beiden Studentinnen, wie lästig es auch für sie gewesen sei, in das geplante Hotel zu fahren, weil der Fahrer ihnen unbedingt ein anderes empfehlen wollte.
Ich war erleichtert, wieder im Bahnhof zu sein; im Zug begann ich mir dann Sorgen zu machen, wie ich in Dehli vom Bahnhof wieder zum Hotel zurück fahren würde; irgendwie hat mir dieser Stress in Agra doch mehr zugesetzt als gedacht. Mir gegenüber sass ein junger indischer Geschäftsmann, wir kamen ins Gespräch, ich erzählte ihm auch vom Tag in Agra, was ihm irgendwie peinlich war, d.h. er schämte sich für seine Landsleute. Er bot mir, mich in seinem Auto ins Hotel zurückzufahren, was ich dankend annahm.
Es war schon tiefe Nacht in Dehli, als der Zug eintraf; auf den Bahnsteig, draussen vor dem Gebäude schliefen die Menschen auf Matten auf der Strasse, wir mussten richtig über sie hinwegsteigen. Der Wärter des Parkplatzes fing an, Autos hin- und herzufahren, damit der indische Geschäftsmann seinen Kleinwagen heraus fahren konnte.
Viel später begriff ich, dass nur diese Touristen Hot Spots wie Agra, Jaipur wirklich sehr mühsam sind, der Rest des Landes aber wimmelt von netten und hilfsbereiten Menschen, war wohl ein Fehler, als Greenhorn gerade mit dem mühsamen Teil des Landes zu beginnen.

Where you come from?

Einer der Jeeps hatte eine Panne und wir hielten in einer dieser kleinen indischen No Name Städten; die Kurbelwelle war durch einen Stein beschädigt worden und musste repariert werden. So schickten wir die Studenten zun Sigthseeing und wir fuhren zu einer Tankstelle. Wir sahen schon alle ockergelb aus vom Staub, der sich nicht nur in den Kleidern sondern auch in den Haaren fest gesetzt hatte.
Wir waren auf dem Weg zu einem Kratersee irgend wo in der Pampa von Rajasthan; Mr. Cook hatte diese Kraterseen auf einer Karte entdeckt und wollte sie unbedingt ansehen. Da an diesen Kraterseen auch alter Hindu Tempel steht, kam Miss Meta, eine indische Professorin ebenfalls mit.
Diese Kratereseen sind nicht sehr gross; die Umrundung dauerte etwa 2 Stunden, allerdings bei 40 Grad doch ein mühsamer Weg. Miss Meta in ihrem Sari litt jedenfalls ziemlich. Am anderen Ende des Sees steht dieser alte Shiva Tempel aus dem 10. Jahrhundert, aus Stein, übersäht mit Figuren aus der indischen Mytholgie, der Innenraum war dunkel, ebenfalls ausgeschmückt mit Steinfiguren. Ich fand dann später heraus, dass das Gebiet Ramgarh crater heisst und es sich um einen Meteoriteneinschlag handeln müsse.
Da die Strassen sehr schlecht sind, fuhren wir mit 2 Jeeps los, über staubige Feldwege, Schlaglöchern, ausgewaschen vom Monsumregen.
Ein indischer Mechaniker kroch mit dem Schweissbrenner unter das Auto und begann die Kurbelwelle zu flicken; vorsichtshalber schlich ich ein paar Meter weg, ich traute der Sache nicht ganz.
Nach ungefähr einer Stunde war der Jeep wieder flott; ich wurde beauftragt, mal nachzusehen, wo den die Studenten geblieben sind. Ich wanderte die Haupstrasse runter und spähte nach ihnen, sie waren wie vom Erdboden verschwunden, bis ich vor einem Haus eine Menschentraube stehen sah. Ah, da müssen sie sein; ich bahnte mir den Weg durch die Menge und ging hinein. Tatsächlich sassen sie da in einem Restaurant und tranken Tee, durchs Fenster lachten Schulkinder hinein. Wir brachen auf. Eine Herr mit Brille stellte sich als der lokale Englischlehrer vor und wollte wissen, woher wir den kommen würden? Die indischen Schüler lernen als Landessprache Hindi und Englisch, aber meistens ist das Englisch nicht besonders gut, weil viele Kinder vor allem auf dem Land die Schule nicht abschliessen, sondern auf dem Feld arbeiten müssen. In dieser kleinen Stadt waren damals noch nie irgendwelche Europäer gewesen, da sie abseits des grossen Touristenstromes liegt. Umringt von grinsenden Kindern, die uns an den Armen zupften, und etwas schüchternen Erwachsenen schlugen wir uns bis zur Tankstelle durch und setzten die Reise fort.

Where you come from?

Kobra

Wir sassen nach dem Essen im Speisesaal, tranken und rauchten; Mr. Cook war bereits in sein Zimmer gegangen. An den Wänden des Speisesaals hingen ausgestopfte Hirsche, Impalas, Löwen und was auch immer; auf dem Flur konnte man über Tigerköpfe stolpern.
Die Studenten selbst wohnten nicht hier; sie waren in einem Guest House der Regierung unter gebracht, das etwa 20 Fussminuten entfernt lag. Abwechselnd assen alle hier im ehemalgien Maharadscha Palast oder wir gingen in die Stadt.
Mr. Cook hatte mich als seinen Assistenten mitgenommen, quasi als Koordinationsperson zu seinen Studenten; als Botaniker bin ich ja ziemlich unbrauchbar. So sorgte ich dafür, dass alles für die Studenten vorhanden war, koordinierte die Termine. Oft spazierte ich Abend nach Einbruch der Dunkelheit von diesem Guest House zurück zum Hotel; die Strasse endete am Rande des Parks; dort befand sich ein kleiner Strassenstand, wo der Händler Zigaretten verkaufte; es gab nur diese grauenhaften indischen Zigaretten, mit der Ausnahme von Stuyvesant, die in Linzenz hergestellt wurden. Von der Strasse bis zu Hotel lag dieser dunkle Weg durch den Park vor mir; ich fürchete mich jedes Mal, da durch zu gehen, es hätten ja irgend welche Schlangen und so auf dem Weg liegen können. Am Ende des Weges leuchtete eine fahle Lampe den Weg durch den Duchgang auf die Veranda; dort war mein Zimmer, Mr. Cook bezog sein Terrassenzimmer ein Stockwerk weiter oben.
Wir waren die einzigen Gäste; Mr. Cook hatte dem alten Hausdiener Mr. Singh die strikte Anweisung gegeben, niemanden mehr aufzunhemen. Bei meiner Ankunft jedenfalls staunte Mr. Sing nicht schlecht, dass dieser verstrubbelte Backpacker der Assistent von Mr. Cook sein soll; zuerst hatte er mir weissagen wollen, dass das Hotel ausgebucht sei. Er schimpfte dann mit dem Rikscha Fahrer, der mich vom Bahnhof hierher gebracht hatte, weil dieser statt den üblichen 5 Rupies mir deren 10 abgeknöpft hatte.
So standen die 4 Bediensteten nur uns zur Verfügung, der Koch und 2 andere, und über ihnen thronte Herr Sing und gab Anwesiungen.
Das Zimmer war gross, mit eigener Dusche. Da das Guest House doch spärlich ausgestattet war, kamen die Studenten jeweils bei mir duschen. An der Decke drehte sich ein Ventilator, die Fenster waren mit einem Drahtnetz versehen, damit keine Insekten oder Kleintiere ins Zimmer flogen. Dennoch schafften es Geckos, sich an der Decke festzukleben und bei der Dämmerung auf Insektenjagd zu gehen; mit ihren Saugnäpfen können sie die Wände und Decken rauf- und runter rennen. Irgendwann gab ich es auf, sie aus meinem Zimmer zu jagen.
So sassen wir im Speisesaal, als plötzlich Mr. Cook mit einer Taschenlampe herein stürmte und rief: «Draussen eine Kobra». Alle erhoben sich, ich mich auch, allerdings auf einen Stuhl; ich dachte, dass Mistvieh sei im Speisesaal. Dabei hatte Mr. Cook die Schlange draussen in einem Blumetrog entdeckt und wollte sie den Studenten zeigen.
Als wir dann im Garten standen, war sie schon weg; Schlangen sind sehr scheu und rennen bei geringster Gefahr weg.
Was mich nachher zutiefst beschäftigte war die Tatsache, dass ich nach der Morgendämmerung immer im Pyjama in den Garten ging, runter zum Jambal River schaute und eine Zigarette rauchte; ich liess es nachher bleiben, die Vorstellung, dass ich nicht alleine im Gras stehen würde, war mir ziemlich unangenehm.

Lungenentzündung

Ich wachte auf und hatte hohes Fieber und Husten; ich fühlte mich schon am Tage zuvor sehr schlecht, als wir mit Bus von Bangalore nach Mysore gefahren waren.
Wir beschlossen, einen Arzt aufzusuchen. Ich fürchte, diese bösartige Malaria aufgelesen zu haben, gegen die es damals kein Mittel gab.
Eine indische Arztpraxis unterscheidet sich doch sehr von der hier in Europa. Es gab fast nichts, d.h. keine Instrumente, Apparate. Der Arzt hörte mit dem Stetoskop meine Lunge ab und bat mich, in ein Glas zu pinkeln. Unter dem Mikroskop untersuchte er den Urin. Es gab sehr viele weisse Blutkörperchen drin.
Sein Befund lautet, Lungenentzündung. Einerseits war ich erleichtert, andererseits Lungenentzündung in Indien ist auch nicht so der Hammer. Mir fiel ein, dass auf der Zugfahrt nach Bombay ich unter der Kühlanalge gelegen hatte, und der ständige Wechsel zwischen kalt und der subtropischen Hitze war wohl nicht besonders förderlich für meine Gesundheit.
Er riet mir, Antibiotika einzunehmen. Er selber gab mir keines mit, drausssen auf dem Markt konnte man welches kaufen. Wir kauften irgend eines, ich schluckte es und kroch ins Bett. Den nächsten Tag ist mir nicht mehr präsent, die Medikamente waren extrem stark. 2 Tage später kroch ich wieder aus dem Bett hervor und war einigermassen wieder bei den Lebenden. Wir wollten sowieso mit dem Bus weiter zur Küste runter. Ich staune auch heute noch, wie dieser indische Arzt ohne grossartige Infrastruktur seinem Beruf nach kam, mehr mit seiner Erfahrung und Beobachung die Patienten behandelte.

Baumgartner

Baumgartner so heisse der Mann, schrieb mir das DEZA zurück; ich hatte angefragt, ob das DEZA irgend welche Entwicklungsprojekte in Indien unterhalte. Das traf sich gut, da wir sowieso nach Trivandrum reisen wollten. Ich schrieb ihm einen Brief, dass wir ungefähr Anfang Oktober bei ihm mal den Kopf rein strecken würden.
Bevor wir von Rajasthan los fuhren, gab ich ein Telegram auf, in dem ich ihm mitteilte, dass wir 5 Tage später ankommen würden.
Angekommen in der Stadt begaben wir uns die Suche nach dem DEZA Büro; Baumgartner war tatsächlich da und freute sich uns zu sehen. Er war ein stämmiger Berner, umgänglich und ein toller Geschichten Erzähler.
Eine Geschichte von ihm? Bitte schön: In Nord Kerala untersützte das DEZA den Aufbau von Milchwirtschaft, indem sie z.B. Käsereien finanzierten. Da die einheimische Viehrasse, die Zebus nicht die gewünschte Milchleistung erbrachte, verfiel das DEZA auf die Idee, Schweizer Kühe zu importieren; leider waren diese Schweizer Kühe gar nicht so glücklich in Südiniden, worauf die ETH beaufragt wurde zu untersuchen, was den diesen Kühen zu Glück fehlen würde. Die Antwort und Empfehlung der ETH wr erstaunlich: baut doch einfach die Schweizer Grassorten an.
Baumgartner lud uns auch zu einem indischen Tanztheater ein und anschliessend fuhren wir zu ihm nach Hause, wo sein Koch das Abendessen zubereitet hatte. Ein amüsanter Abend mit seinen Short Story, warum er Jack Daniels in seiner Bar besass, obwohl es diesen in der Stadt gar nicht zu kaufen gab. Baumgartner unterhielt beste Beziehungen zur Schweizer Botschaft, und diese schmuggelte den Whiskey Vorrat als Diplomaten Gepäck ins Land.
Michael und ich beschlossen, uns bei ihm zu revanchieren; bevor wir Trivandrum verliessen, gingen wir mit ihm ins besten Restaurant essen. Auf Grund der vielen Minderheiten in Inden gibt es das Toleranzprinzip, wonach diese ihre Kultur und Gebräuche ohne Vorbehalt ausüben dürfen; einer dieser Minderheiten baute für ihre Riten Cannabis an; dies war uns Touristen durchaus bekannt, und Michael als Freund dieser Produkte kaufte 10 Gramm Gras. Es war eine Unmenge. Leider wusste auch die Provinzregierung, dass die Ausländer auch ihre Freude an botanischen Pflanzen haben, und da sie es nicht verbieten können, wurde kurzer Hand der Verkauf von Zigarettenpapierchen untersagt.
So sassen wir im Hotelzimmer mit sehr viel Gras aber ohne Papierchen; es war egal, wir schütteten aus den normalen Zigaretten den Tabak raus und stopften das Gras ein.
Als wir zum Restaurant kamen, waren Michael und ich ziemlich stoned; Baumgartner wartet schon dort, und da wir uns verspätet hatten, hatte er sich bereits ein paar Drinks genehmigt und war auch schon schwer angeschlagen. Das Essen selbst ist mir nicht in Erinnerung geblieben, der Abend floss irgendwie dahin, Baumgartner erzählte irgendwelche Geschichten und wir grinsten um die Wette.

Dehli

Das Flugzeug setzte bei Anbruch der Dämmerung auf der Piste auf; wir waren seit 8 Stunden unterwegs und alle dösten ein bischen vor sich. Die Kabine war geschwängert vom Zigarettenrauch, Armin sass neben mir, grün im Gesicht, da er dauernd in die Papiertüte kotzen musste.
Über dem Flughafen tauchte langsam die Sonne auf; es roch nach Diesel und Benzin, der Himmel war hinter einem gelb braunen Schleier aus Smog gar nicht zusehen. Ich bin da, dachte ich, angekommen.
Die Zollformalitäten gingen ohne Probleme von statten; kurze Zeit später warten wir in einer Halle auf Mr. Cook. Er war nach draussen gegangen, um Taxis zu organisieren.
Nach längerem Warten stand er wieder vor uns; draussen standen zwei der Taxis, Hindustan Ambassadors, wie ich später las, eine Eigenproduktion des Landes. Mr. Cook verteilte die Studenten auf die beiden Autos; er fuhr im vorderen Wagen, ich sass im zweiten vorne, und der Fahrer bekam die Anweisung, dem ersten Taxi zu folgen.
Vom Flughafen in die Stadt gab es eine Autobahn, die um diese Uhrzeit noch nicht stark befahren war. Unser Ziel war ein Guest House der Universität, um uns dort zu erholen, bevor es dann für einige in die Stadt, bzw. für den Rest der Gruppe mit dem Zug in den Süden ging.
Der Fahrer erklärte mir in diesem indischen Singsang Englisch, dass Rauchen im Auto strikt verboten sei; auf meine Frage warum, deutete er nur nach unten, wo meine Füsse auf einer Matte lagerten. Diese war durchtränkt mit Benzin und bereits begann sich die Sohlen von meinen Turnschuhen zu lösen. Ein kleines Streichholz und der Indientrip wäre schon nach dem Flughafen zu Ende gewesen.